Hallo, ich bin Chris!
Ich bin 28 Jahre alt und meine größten Leidenschaften sind die Fotografie und das erzählende Wort. Ich schreibe, ich lese, ich höre und ich schaue zu. Ich fotografiere seit einiger Zeit semi-professionell und ich muss, trotz aller Selbstzweifel, sagen, dass ich meine Bilder und Texte wirklich gut finde.
Ich habe seit ich 14 bin Depressionen, die mich mal mehr und mal weniger belasten, die aber auch zu einigen meister besten Texte geführt haben.
Und natürlich: Ich habe Diabetes Typ 1. Seit 1996.
Und meine Fresse, wie es mich manchmal nervt…
Aber eines nach dem anderen:
Ich wurde noch mit der CT geschult. Sprich: zu festen Zeiten nur eine feste Anzahl an BE essen und keinesfalls davon abweichen. Diese Herangehensweise wird heute wenn, dann nur noch bei Typ2 angewandt aber 1996 war noch alles anders. Diese therapie schränkte mich als 9-jährigen Knirps ziemlich ein und die Suggerierungen der Ärzte, dass ich sterben könnte, wenn ich mich nicht an diese Vorgaben hielte, beenden das Kindsein eigentlich ziemlich schnell. Zum Glück würde ich nach etwa 2 Jahren von einem Arzt, der 2 Autofahrtstunden von meiner Heimat entfernt praktizierte, auf die ICT umgestellt – also spritz und iss, dann, wann es passt.
Nach etwa 4 Jahren bekam ich meine erste Pumpe und erfuhr dadurch neue Freiheiten, legte diese aber 2009 für meine Ausbildung zum Versicherungskaufmann wieder ab – Anzüge und Pumpe fand ich damals unpassend und doof.
Und hier beginnt meine eigentliche Geschichte.
Durch die Rückumstellung auf die Pen-Therapie geriet mein ohnehin nicht gerade stabiler Diabetes völlig aus den Fugen, was zur Folge hatte, dass mein Hba1c förmlich explodierte und ich Ende 2011 eine starke Diabetische Retinopathie diagnostiziert bekam.
Das ist ein unheilbares Augenleiden, bei dem die Netzhaut direkt betroffen wird und die eine direkte Folge eines schlecht behandelten Diabetes ist.
2012 wurde ich, trotz Behandlungen dadurch beinahe blind.
Weitere Behandlungen folgten. Mir wurden beide Glaskörper entfern, Spritzen in die Augen gegeben, die Netzhaut gelasert. Eine Tortur nach der anderen über insgesamt 2 Jahre, die aber schlussendlich dazu führte, dass ich wieder besser sehen kann, wenngleich auch noch lange nicht gut.
Ich studiere.
Nach meinen Erlebnissen 2012 und 2013 beschloss ich mal Butter bei die Fische zu geben und nicht immer nur zu prokrastinieren. (Ich bin der König der Prokrastination) Meine Augen sind nicht geheilt. Es ist nur das Voranschreiten der Erkrankung vorerst getoppt worden und niemand weiß, wie lang – es kann also jeden Moment wieder losgehen und dann kann es nach wie vor passieren, dass ich diesmal völlig erblinde.
Wie mein behandelnder Augen-Chirurg meinte: „Es ist ein Krankheit, der man leider ewig hinterher läuft.“
Zum Anfang meiner Behandlung an den Augen bekam ich auch die neue Pumpe, die ich bis jetzt noch trage. Eine Akku-Chek Spirit Combo. Mein HbA1c ist von 11 auf 7,8 gesunken und es könnte alles so gut sein, würde ich nicht jeden Tag aufs neue daran erinnert werden, dass das Leben, wie ich es kenne, halt einfach enden könnte.
Je nach Wetter und Laune, kann ich mal besser, mal schlechter sehen. Ich schau nur noch mit dem rechten auge, da die Netzhaut des linken zu sehr geschwollen ist, um damit ordentlich zu sehen und Behandlungen (die Spritzen) nicht anschlagen. Die Sehkraft recht kann zwischen 60 und 80% Leistung schwanken. Ich schau, durch die vom Lasern entstandenen Narben, durch ein Gitternetz von unscharfen Linien in meinem Sichtfeld, die ebenfalls mal breiter sind und mal schmaler, hin und wieder sogar schmerzer – wie andere Narben am Körper eben auch. Und wenn man wieder einmal in der vordersten Reihe in der Vorlesung sitz und man dennoch kaum die Folien des Dozenten lesen kann, zieht einen das nicht nur ganz schön herunter sondern es ist auch unglaublich anstrengend und Kopfschmerz-fördernd.
Ich will gar nicht heulen oder Mitleid. Ich erzähle, wie es ist.
Mir geht es auch nicht unbedingt schlecht. Das Studium macht Spaß und im Moment kann ich meinen Leidenschaften nahezu professionell nachgehen. Nach dem Studium möchte ich in den journalistischen Bereich gehen und auch damit sieht es gut aus.
Dennoch ist es die Gewissheit immer da, dass das alles von jetzt auf gleich enden könnte. Und egal, wie oft, wie sehr oder wie lang man sich ablenkt, es liegt einem wie ein grauer Dunst auf den Gedanken im Hinterkopf.
Diabetes bestimmt nicht mein Leben. Aber er hat es stark gezeichnet. Mit Edding und wasserfester Farbe. Ich muss damit leben und werde es tun und Apps, wie MySugr fürs Handy helfen mir dabei ziemlich gut.
Doch wo andere den Welt-Diabetes-Tag feiern, abklatschen und sich freuen, muss ich mal eine Gegenstimme sein und meinen nervend-mahnenden Finger sowohl an Patienten, wie auch Ärzte heben.
Liebe Ärzte: Bildet euch weiter. Diabetes Typ 1 ist nicht mehr, wie vor 20 Jahren, als ihr angefangen habt und wird schon lang nicht mehr so behandelt. Blutzucker messen heißt nicht „zuckern“ und vor eine Vollnarkose-OP wird keine Glucose gespritzt. Ihr habt versprochen zu helfen aber Unkenntnis ist leider das Gegenteil davon.
Liebe Mit-Diabetiker, liebe Kollegen: Ich habe laut der Ärzte, mit 28 schon die Augen eines 80-jährigen Diabetikers und werde sie mein Leben lang behalten. Und alles nur, weil ich ein paar wenige Jahre meines Lebens nachlässig war. Wir haben immer das Gefühl, es kann uns nichts passieren – egal, wie alt wir sind. Aber es kann. Und es wird. Ihr könnt aber mit ein wenig Umsicht gegenüber eures Körpers so etwas, leicht verhindern. Lasst den Diabetes nicht euer Leben bestimmen, aber behaltet ihn immer im Blick. Denn daraus verliert man ihn schnell…
Keine Zuckerwatte, keine Tüte Gummibären und kein Nutella-Glas ist es wert, sich sein Leben lang noch mehr einzuschränken, als wir es eh schon sind.
In diesem Sinne hoffe ich, eure Laune nicht zu sehr gedrückt zu haben und wünsche euch einen schönen Welt-Diabetes-Tag, an dem Frederick Banting, der Entdecker des Insulins beim Menschen und damit dem Wegbereiter zur Behandlung von Diabetes, geboren wurde.
Und das ist definitiv ein Grund zum Feiern.
Euer Chris