Gedangänge

Ein Jahr später…

Photo by Annie Spratt on Unsplash
Bremen, 26.10.2018, 8:57
Ich wache auf. Keine Ahnung wie lang ich geschlafen habe. Aber viel mehr als drei Stunden können es nicht gewesen sein. Entsprechend fühle ich mich. Gerädert und kaputt. Aber wach. Beides kenne ich schon; vor allem in der Kombination.
Mit zu viel Schlafsand, der mir in den Augen brennt, schaue ich aufs Handy. Es haben bisher drei Leute an mich gedacht. Vor einem Jahr waren es mehr um diese Uhrzeit. Von vor 10 Jahren ganz zu schweigen.
Aber man soll nicht ständig vergleichen. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass ständiges Vergleichen am meisten dazu beiträgt, dass man unglücklich ist. Meiner Erfahrung nach, stimmt das auch.
Trotzdem frage ich mich, wer wohl heute noch an mich denken wird. Wer sich die Zeit nimmt, mir kurz einen Einzeiler zu schreiben.
Ich bin nun in einem Alter, in dem ich anfange, mir einzureden, dass dieser Tag nicht mehr wichtig ist. Dass ich keine Geschenke brauche, dass ich nur ein paar Stunden älter bin, als gestern Morgen und dass es ein Tag, wie jeder andere auch ist.
Ich hieve mich hoch und setze mich auf.
In meinem Rücken knackt es. Wir werden alle nicht jünger.
Ich starre vor mich ins Zimmer. Zu viele Gedanken kreisen noch, von meinem viel zu kurzen Schlaf ins Wachsen rüber geschwappt, vor meinen müden Augen. Viel zu dumme und dunkle Gedanken. Dinge, die ich Nicht ausspreche. Gedanken, die ich nicht zugebe. Nicht einmal nur mir gegenüber. Nie. Weil ich dann noch mehr an mir selbst zweifeln würde.
Das Handy leuchtet auf. Es haben zwei weitere Menschen an mich gedacht. Ich antworte jedem einzelnen persönlich.
Ich brauche wirklich keine Geschenke. Ich brauche nur ein paar Leute, die am mich denken. Das ist heut zu Tage viel mehr wert, weil es so selten geworden ist. In Zeiten von Social Media-Apps und -Seiten, auf denen man über jeden Geburtstag penetrant informiert wird und auf denen man per Knopfdruck einen generierten Glückwunsch verschicken kann, sind schon allein Einzeiler viel wert.
Und darum ist mir jeder Gruß es wert, individuell beantwortet zu werden. Kein Copy and Paste. So viel Respekt sollte man haben.
Ich stehe leise auf und gehe ins Wohnzimmer. Wärme Füße auf einem kalten Boden.
Es ist alles still und leer hier. So darf es gern irgendwann auch in meinem Kopf sein. Aber heute wohl eher nicht.
In der Küche hole ich mir einen Kaffee, der die Müdigkeit aus meinen Knochen vertreiben soll. Er schafft es nur minimal.
Ein Blick ins Internet und ins Social Media. Alles wie vor ein paar Stunden, als ich ins Bett ging. Die Welt drehte sich weiter. Es ist eben doch nur ein ganz normaler Tag.
Ich lasse den Kaffee Kaffee sein und wanke wieder zurück ins Schlafzimmer.
Dort angekommen, lege ich mich wieder ins Bett und ziehe die noch warme Bettdecke bis übers Kinn und starre an die Zimmerdecke. Die Zimmerdecke starrt zurück
Das Handy leuchtet wieder auf. Noch ein paar liebe Menschen, die an mich gedacht haben.
Vielleicht, überlege ich, ist das ein guter Katalysator dafür, wer noch in mein Leben gehört und wer nicht. Was bringen mir Menschen, die nicht einmal zwei Worte an mich verlieren können. Wie gut können diese Leute mir tun? Sicher, der ein oder andere ist ein kleiner Schussel und das weiß ich dann ja auch. Aber Leute, von denen ich seit Jahren oder Monaten nichts gehört habe und die es nicht einmal jetzt schaffen, sich zu melden?
Der Gedanke macht mich traurig.
Ich muss mal wieder meine sogenannten Freunde und Bekannte ausmisten. Aber die Erinnerung an Zeiten, in denen man viel mit ihnen zu tun hatte und sie vielleicht sogar in den engen Freundeskreis gezählt hat, tun besonders weh, wenn man realisiert, dass diese Zeiten vorbei sind.
Tolle Menschen kommen aber tolle Menschen gehen leider auch wieder.
Ich brauche keine Geschenke. Höchstens ein paar Kekse. Aber vor allem brauche ich Menschen, die an mich glaube und an mich denken. Und mich auf in der Weise lieben und akzeptieren, wie ich bin. Und das nicht nur heute. Sondern jeden Tag aufs Neue.
Geburtstage werden überschätzt.

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