Samstag, 21.9.2012, 6:12
Das ist nun schon die dritte Nacht infolge, die ich noch wach bin, wenn es draußen wieder hell wird. Die letzten Vögel, die noch nicht gen Süden geflogen sind, werden langsam lauter, erste Autotüren schlagen zu und die dazugehörigen Autos fahren davon. Werden langsam in der Ferne leiser, bis es wieder ganz still ist.
Ich liebe die Nacht. Die Stille, die mit ihr einher geht. Die Ruhe.
Auch, wenn ich etwas mehr schlaf zur gegebenen Zeit bevorzugen würde, so komme ich nicht umhin, zuzugeben, dass ich in der Nacht einen gewissen Grad an innerer Ruhe, fast schon Balance finde. Nicht umsonst, schaffe ich nachts die meiste Arbeit, räume am meisten auf, denke a kreativsten und produktivsten. Schmiede Pläne für die kommende Zeit. Ich schaffe es, für ein paar Stunden meine Prokrastination außen vor zu lassen.
Aber heute nicht.
Ich konnte nicht schlafen, als habe ich mir ein paar Folgen von „Castle“ angeschaut. Aber ich wurde dennoch nicht müder. Irgendwann lag ich Rücklinks auf meine Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und wartete auf meinen Schlaf. Vergebens.
Ich bin ein zynischer Mensch.
Sarkastisch, verbittert und oft übellaunig. Das war ich schon immer auch, wenn ich denke, dass es sich in den letzten paar Jahren sehr zugespitzt hat.
Ich weiß selbst nicht, was ich will. Und das regt mich auf.
Auf der einen Seite will ich mit anderen Menschen zusammen sein; auf der anderen will ich allein sein.
Ich beobachte mich, wie ich ausraste, gestresst und unfair bin. Und das regt mich auf.
Mir geht es schlecht, anderen geht es besser und ich gebe ihnen die Schuld. Warum? Ich war nie ein neidischer Mensch.
Ich rege mich auf. Und das regt mich auf.
Ich kann mich von selbst reflektieren. Selbst bewerten. Selbst wahrnehmen. Und dennoch nicht aus meiner eigenen Haut. Ich nehme mir vor, mich zu bessern, morgen früh alles besser zu machen, endlich einen Schritt vorwärts, direkt über meinen eigenen Schatten zu tun…
Nur leider ist es jetzt um halb 7 und es ist bereits morgens. Und wenn ich heute aufwache, wird es bereits mittags sein. Es wird kein „morgen früh“ mehr sein.
Ich habe nicht mehr viel für Romantik übrig. Ich räume nicht mehr von großen Dingen. Ich bin hoffnungsloser Realist. Ich sehe nicht nur das negative, das passieren kann, aber ich schließe es auch nicht aus. Ich sehe die vorhandene Möglichkeit, dass etwas Schlimmes passiert und es nervt mich, wenn mich deshalb Leute als Pessimisten bezeichnen wollen.
Es gibt Tage, an denen ich mich selbst verachte und dadurch nur noch wütender werde. Wütender auf mich, meine Laune, alle anderen, denen es besser geht, auf die ganze Welt.
Es gibt Tage, da könnte ich schreien und alles und jeden hassen.
Es gibt Tage, da schaffe ich es nicht einmal aus dem Bett, weil ich das Gefühl habe, das dünne Konstrukt, das sich noch auf wackeligen Beinen hält, wird jeden Moment über mir zusammenfallen.
Es gibt Tage, da kann ich niemandem vertrauen, weil ich schon so oft verletzt und enttäuscht wurde. Verraten, beschimpft, beleidigt, lächerlich gemacht, gehasst. Mal zu Recht, mal zu Unrecht.
In diesen Momenten, an diesen Tagen fühle ich mich verlassen. Allein. Ohnmächtig.
An diesen Tagen bereue ich alles, was ich bisher getan habe. Jede Entscheidung, jeder Schritt. Und diese Erkenntnis, macht mir Angst und lähmt mich zugleich.
Und es sind nicht nur ein paar Tage, an denen ich mein Herz verschließe und am liebsten vereisen würde. An denen ich versuche, mich abzuschotten, der Welt mit derselben Kälte im Herzen begegne, wie sie mir. Tage, an denen ich mich versuche, emotional einfach zu töten. Sehr viele Tage…
Und dann erwische ich mich bei Folgen von Fernsehserien, die damit enden, dass sich Hauptpersonen endlich in die Arme schließen können und Reden darüber gehalten werden, dass jedes Ende auch ein Anfang bedeutet. Und mir rollen Tränen über die Wange.
Ich schaue verdammte Disney Filme und schniefe. Ich sehe How I Met Your Mother und zwei Personen bekommen sich und ich lächle und freue mich für diese fiktiven Figuren.
Ich sehe ein Pärchen Hand in Hand im Supermarkt einkaufen und freue mich für sie.
Ich höre einen Song und fange an, zu weinen.
Es gibt Leute, die so etwas als total „unmännlich“ bezeichnen. Sie verurteilen, dass ich manchmal mit meinem eigenen Leben nicht zurechtkomme, mich überfordert fühle und nicht allein, sondern mit anderen einen Ausweg finden muss.
Sie verurteilen, dass ich offen eingestehe, nicht perfekt zu sein, nicht den harten Knochen mime und dass ich manchmal weder ein noch aus weiß. Sogar ziemlich oft. Dass ich Fehler gemacht habe und mache und aus manchen einfach nicht lerne.
Ich weiß nicht, wie diese Leute ihr Leben bestreiten und will mir darüber kein Urteil bilden oder erlauben.
Ich weiß aber, dass Tränen bei einer Folge „Castle“ und ein lauten Schniefen bei „Rapunzel“ für mich eines bedeutet:
Irgendwo in mir drin habe ich Gefühle, Liebe, Romantik, den Glauben an das Gute und an mich selbst doch noch nicht ganz aufgegeben. Egal, wie sehr ich es versuche.
Das ist weder optimistisch, noch pessimistisch. Es ist realistisch.
Ich bin lange nicht mehr in der Form, in der ich noch vor ein paar Jahren war. Weder körperlich, noch geistig. Und es besteht die Chance, dass ich diese Form nie wieder erreiche. Aber es wäre schön. Und diese Momente, so lächerlich sie dem ein oder anderen vielleicht vorkommen mögen, sind die Bestätigung für die Chance, dass es aber noch gelingen kann.
Lieber Chris,
egal was du von dir hältst, ich finde, es unglaublich stark von dir, dass du das eingestehen kannst und dich nicht versteckst.
Es gibt Menschen, die dich nicht verstehen oder leichtfertig sagen: „Reiß dich doch mal zusammen!“ Doch die mussten wahrscheinlich nie so leiden und können das nicht nachvollziehen.
Es gibt Menschen, die viel schlimmeres erlebt haben und die anscheinend trotzdem ihr Leben im Griff haben. Doch ich habe gemerkt, dass auch sie schlechte Tage haben und manchmal nicht weiter wissen.
Obwohl es mir gerade gut gehen müsste, gibt es immer wieder Dinge, die mich zu Boden werfen. Immer wenn ich denke, alles ist in Ordnung, mir geht es gut und ich habe gar keinen Grund unglücklich zu sein, gibt es Tage, an denen ich das Leben am liebsten ausschließen würde, weil mir alles zu viel ist. Dann fällt es schwer morgens aufzustehen, ich kann mein Spiegelbild nicht ertragen und beginne mich selbst zu zermürben.
Aber hab kein schlechtes Gewissen, wenn du dich zurückziehst und mal gar nichts machst. An manchen Tagen brauch man das eben. Es ist total in Ordnung Fehler zu machen, dass ist nur menschlich. Wenn du Angst hast, dann stell dich ihr. Wenn du wütend bist, dann schrei.
Nur wer gelitten hat, kann gute Tage zu schätzen wissen. Und mal ehrlich, so ganz ohne Probleme wäre alles so schön einfach, aber irgendwie auch langweilig.
Das Leben kann ein Arschloch sein, manchmal gibt es dir das Gefühl der größte zu sein und im nächsten Moment es schlägt dich zu Boden. Die Hauptsache ist, dass du immer wieder aufstehst, egal wie schwer das ist.
Grüße aus Leipzig
PS: Dass du bei Disneyfilmen Tränen in den Augen hast, macht dich sehr sympathisch ;)
Jetzt würde ich gern mit dir Wo die wilden Kerle wohnen schauen. Aus der Laune heraus habe ich mir eben Klick mit Adam Sandler angemacht.
Drück dich.
<3