Ich war noch nie ein Optimist.
Einer Erzählung meiner Mutter zufolge begann ich im Alter von etwa 3 Jahren plötzlich nicht mehr gern ins Meer oder in den See zu gehen, obwohl ich zuvor eine sprichwörtliche Wasserratte war. In meinen Augen hätte einfach zu viel Schlimmes passieren können. In meinem Leben und meinem Wesen hat sich in den letzten 29 Jahren viel geändert doch das wohl nicht.
Ich bin nach wie vor ein – wie Eckart von Hirschhausen so treffend formuliert – „pessimistischer Realist“. Oder war es ein realistischer Pessimist? Am Ende kommt wohl dasselbe dabei heraus. Und offenbar lässt sich beides nicht voneinander trennen. Wer die Realität sieht, wird zynisch und pessimistisch.
„Mach kaputt, was dich kaputt macht!“ heißt es in einem Song von Jennifer Rostock und verdammt nochmal, ich hab es versucht.
Ich wurde immer so erzogen, sich nie die Butter vom Brot nehmen zu lassen. „Steh für das ein, wovon du überzeugt bist!“ brachte (und bringt) mir meine Mutter bei. Ich nutzt stets meine Eloquenz um mich gegenüber stärkeren, älteren, Mitschülern und Lehrer durchzusetzen. Mal mehr und mal weniger erfolgreich. Ich wurde Klassensprecher, Schülersprecher, Mediator und Chefredakteur der Schülerzeitung. Ich schreckte nicht davor zurück, auch mal gegen den Strom zu schwimmen.
Ich habe auch nach meinem Abi versucht, so weiter zu machen. Ich wollte mir und allen anderen beweisen, dass es funktioniert, bis zu einem gewissen Grad aus der Reihe zu tanzen und sich nicht immer nur unterzuordnen. Wie dumm und naiv ich doch war.
Jetzt, fast 10 Jahre später, kämpfe ich Monat für Monat darum, irgendwie meine Miete zu bezahlen, meine Krankenkassen-Beiträge zu begleichen, und daraufhin mit 20€ über zwei bis drei Wochen zu überleben. Ich habe einmal zu oft auf meinen Bauch gehört und meine Entscheidungen mit gegenüber so lange zurecht argumentiert, bis ich selbst davon überzeugt war. Und jetzt? Nichts geschafft.
Mich macht kaputt, was mich kaputt macht. Ich bin nur blanker Durchschnitt und war es immer. Aber es braucht bei jedem etwas Zeit um das nicht nur logisch zu wissen, sondern auch zu verinnerlichen. Von Vorschriften abzuweichen und sein Ding zu machen ist unser aller Traum aber nur einem Bruchteil ist Erfolg gegönnt. Der Rest bleibt auf der Strecke und vergeht in der Masse.
„Gleichmachen beginnt mit Kopf abhacken – das weiß jede Sardine.“
Egal, wie lang man sich Wehr setzt und egal, was man macht; ob man nun Angestellter oder Selbstständiger ist; am Ende geht man so lang arbeiten, bis man am Ende des Tages keine Zeit mehr hat, das verdiente Geld auszugeben. Außer für die Miete, Nahrung und den Fall dass man ein Pflegefall wird. 69 Jahre lang. Und einmal im Jahr kann man, wenn man Glück hat, drei Wochen lang Urlaub machen. Und bei den meisten reicht es nicht einmal für Strandurlaub auf Malle.
Wir arbeiten uns kaputt um nicht von anderem kaputt gemacht zu werden. Zerstören uns selbst, damit es kein anderer tut. Und das schlimme ist, dass viele sich so daran gewöhnt haben, dass sich sich so damit abgefunden haben, dass es sie es nicht mehr merken und zufrieden sind.
Ist das der Weg zum Glück? Sich damit abfinden, wie es ist?
Manchmal denke ich das.
Manchmal denke ich, dass ich vor 10 Jahren einfach weniger einen eigenen Kopf hätte haben sollen und mich einfach hätte fügen müssen. „Ja und amen“ sagen und den Kopf unten halten. Kaufmännische Ausbildung, trotz Mobbing, durchziehen und ein wenig Geld verdienen ,damit ich einmal im Jahr für drei Wochen Urlaub machen und vielleicht auch nach Malle fliegen kann.
Das wäre zumindest mehr, als ich heute habe.
Heute habe ich nur meinen eigenen Kopf, meinen Willen, nicht zu sein, wie die breite Masse und den Kopf nicht unten zu halten.
Aber angesichts des Harz-4-antrages vor mir (dem dritten in meinem Leben), angesichts meiner Vergangenheit aus Call Centern und Krankheiten, bin ich mir nicht so sicher ob das so viel mehr wert ist.
Romantiker und Optimisten würden sagen, dass es das wäre.
Aber ich bin weder das eine, noch das andere.
Ich bin Realist. Und darum auch Pessimist und Zyniker.
„Es wird alles wieder besser. Irgendwie.“ Wird mir gesagt. „Nach Regen folgt immer wieder Sonnenschein.“ sagte meine großartige Uroma immer. Aber wenn der Weg glatt ist und der Hang steil, dann führt der Weg nur bergab…
Ernest Hemingway sagte „Es ist nichts nobles daran, sich anderen überlegen zu fühlen. Wahre Größe ist, ich seinem früheren Ich überlegen zu fühlen.“
Ich denke, geistig bin ich dem Chris von 2007 überlegen. Aber weder finanziell, noch bezogen auf meinen Idealismus bin ich mir da sicher. Was nun?
Ein Schritt nach vorn und zwei zurück?
Stehaufmännchen?
Mochtegern-Philosoph?
Selbstmitleidige Memme?
Werfer von leeren Phrasen und Zitaten?
Wahrscheinlich bin ich alles zusammen.
Und am Ende bleiben mir dieses Blog, meine Gedanken und mein Kopf. Die kann mir keiner nehmen. Ob das gut ist oder schlecht… das vermag ich nicht einzuschätzen. Da bin ich Realist.
Bei allem Schlechten, was dir widerfahren ist – insbesondere mit dem Mobbing, aber auch gesundheitlich -, verstehe ich so manchen Punkt von dir nicht. Vielleicht klärst du mich auf.
Du schreibst: „ob man nun Angestellter oder Selbstständiger ist; am Ende geht man so lang arbeiten, bis man am Ende des Tages keine Zeit mehr hat, das verdiente Geld auszugeben. Außer für die Miete, Nahrung und den Fall dass man ein Pflegefall wird. 69 Jahre lang. Und einmal im Jahr kann man, wenn man Glück hat, drei Wochen lang Urlaub machen.“
Besteht das Glück denn nur darin, Urlaub zu machen? Was ist denn an den anderen freien Tagen und in der Freizeit? Ein normaler Arbeitnehmer (bestimmte Berufsgruppen und Schichtdienstarbeiter mal ausgenommen) hat ca. 30 Tage Urlaub, dazu 104 Tage Wochenende, zusätzlich noch ein paar gesetzliche Feiertage. Das macht etwa 140 freie Tage im Jahr. Dazu arbeitet man ja nur einen Teil des Tages, etwas über 8 Stunden im Normalfall. Den Rest des Tages hat man dann auch noch zur Verfügung, um sein Geld auszugeben für Hobbys, Freizeit usw. – das ist doch schon reichlich? Oder wie meinst du das, dass man keine Zeit mehr hat, sein Geld auszugeben?